Hintergrund zur Geschichte
“Dramatische Tage vor der Burg”

Die Waldenfelser legen sich mit einem mächtigen Gegner an

Das dramatischste Ereignisse in der Geschichte Lichtenbergs ist die Belagerung durch die Truppen der Reichsstadt Nürnberg. Hintergrund war ein Streit zwischen der Stadt und den Brüdern Hans und Fritz von Waldenfels, den Herren auf Lichtenberg.

Nürnberg war durch Handel im 13. und 14. Jahrhundert reich und bedeutend geworden. Auf einige Produkte – so auf Safran, dem kostbarsten Gewürz des Mittelalters – hatte es ein Monopol. Nürnberg war nach heutigen Maßstäben eine Weltstadt mit einer starken Stellung im Reich. Der Handel lag in den Händen reicher Familien. Ein Überfall auf einen Handelszug war für sie eine Katastrophe. Freie Handelswege waren die Lebensnerven der Stadt, denn auf ihnen kamen Waren und Informationen zu den Kaufleuten.

Der Konflikt mit den Waldenfelsern auf Lichtenberg hatte sich aus kleinsten Anfängen hochgeschaukelt, wobei auch Händler aus Rothenburg und Windsheim eine Rolle spielten. Die Waldenfelser fühlten sich beleidigt und bei Geschäften finanziell übervorteilt. Versuche, den Konflikt durch Verhandlungen zu beenden, scheiterten. Schließlich überfielen die Brüder Waldenfels am Allerheiligentag 1443 bei Kronach einen Handelszug mit Wachs und Safran und verheerten danach im heutigen Mittelfranken mehrere zu Nürnberg gehörende Dörfer.

Nürnberg erklärte den Waldenfelsern die Fehde. Unter einer Fehde verstand man im Mittelalter die allerletzte, gewalttätige Möglichkeit in einem Streit – eine Art Privatkrieg -, wenn ein Geschädigter sonst keine Möglichkeit sah, sich Recht zu verschaffen. Heute würden sich Gerichte – die es damals so nicht gab - um solche Fälle kümmern. Nur Adelige, Bauern und andere Nicht-Adelige konnten die Fehde erklären, Abhängigen war sie verwehrt. Kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, so war man nicht zimperlich und brannte flächendeckend die Dörfer des Gegners nieder, während man den eigentlichen Fehde-Gegner nicht tötete.

Für die Nürnberger Handelsherren ging es in der Fehde mit den Waldenfelsern um sichere Handelswege und ihren guten Ruf. Entsprechend sorgfältig bereiteten sie den Kriegszug vor. Sie schickten Kundschafter aus, darunter den Grobschmied am Laufer Tor, der aus Lichtenberg stammte und seine Heimatstadt ausspionieren musste. Bis zum Beginn der Handelssaison wollte man die "Placker" – so nannte man die aufrührerischen Adeligen – besiegt und die Burg Lichtenberg mitsamt der Stadt niedergebrannt haben. Es war ein Kampf wie David gegen Goliath, denn Lichtenberg war eine kleine, aber eine freie Herrschaft und niemand außer dem Kaiser unterstellt. Hans und Fritz von Waldenfels verfügten nur über etwa 70 berittene Kämpfer, während das von Rothenburg und Windsheim unterstützte Heer der Nürnberger, das sich Richtung Frankenwald aufmachte, auf tausend Mann geschätzt wird. Es umfasste 168 Soldaten auf Pferden, bezahlte Landsknechte, einen Mönch, zwei Köche, zwei Trompeter, einen Arzt und einen Hufschmied. Einer der Hauptleute war der aus Lichtenberg stammende Niklas Grieß. Am Aschermittwoch, 18. Februar 1444, brach der Trupp auf. Die Soldaten nahmen lediglich einen Wagen mit Sturmleitern – also Strickleitern mit Metallstäben - und einen weiteren mit Gerätschaften zum Kochen mit, denn sie glaubten, der Kriegszug wäre eine schnelle Angelegenheit. Nachts wollten sie unbemerkt die Mauern der Stadt ersteigen, die Lichtenberger im Schlaf überrumpeln und die Burg mitsamt der Stadt plündern.

In der Tat hatten sie auf ihrem Weg einen schnellen Erfolg. In Wartenfels bei Presseck, das ebenfalls den Waldenfelsern gehörte, gelang es ihnen ohne Gegenwehr, das Schloss zu zerstören, ebenso 18 umliegende Dörfer.

In Lichtenberg waren die Bewohner jedoch vorgewarnt und zündeten ihre Stadt selbst an, denn sie wussten, dass es für sie um Leben oder Tod ging. Angesichts der Hitze der Flammen mussten die Angreifer erst einmal Abstand halten. Als sie danach in die Stadt gelangten, fanden sie in den Brandruinen keinen Schutz vor dem Wetter. Diesen hätten sie dringend gebraucht. Es setzte eine heftige Kälte ein, für die das Heer nicht gerüstet war. Nicht einmal Zelte hatten die Nürnberger mitgenommen. Deshalb schickten sie eilends Boten nach Nürnberg mit der Bitte um weitere Unterstützung.

Dem Rat der Stadt Nürnberg war viel daran gelegen, den Kriegszug gegen Lichtenberg erfolgreich zu beenden, und so ließ er eilends ein weiteres Heer aufstellen. Es bestand aus Handwerksgesellen und jungen Meistern, die im Schießen geübt waren. Die Männer waren mit Armbrüsten und Büchsen bewaffnet.

Damit der Angriff auf die Burg Lichtenberg mit großer Wucht geführt werden konnte, nahmen die Nürnberger ihr größtes Geschütz mit, genannt "die Kaltenburgerin". Gemeinsam mit dem Nachschub umfasste das Heer der Nürnberger nun deutlich mehr als 1000 Mann. Dem standen in der Burg Lichtenberg nur 21 Adelige, 150 Knechte und die Männer, Frauen und Kinder aus der Stadt gegenüber.

Die Angreifer konnten ihre gewaltige Überlegenheit nicht in einen Erfolg umsetzen. Heftige Kälte setzte den Soldaten zu, sodass sie nachts die Schildwachen abziehen mussten, der Schnee lag halbmannshoch. Zudem gingen die Vorräte zu Ende. Eine Abordnung brach in die 130 Kilometer erntfernte Stadt Erfurt auf, um Munition zu holen. Zweihundert Männer mussten jeden Tag nach Hof reiten und Verpflegung holen. Weitere hundert schlugen in den Wäldern Holz für die Lagerfeuer.

Trotz heftigen Beschusses auf die Burg blieben die Erfolge aus, unter den Soldaten machte sich Unwille breit. Bauern, die auf dem Weg nach Lichtenberg zum Mitkämpfen gezwungen worden waren, flohen. Die Moral im Heer sank weiter, als es einigen Lichtenbergern gelungen war, sich nachts aus der Burg zu schleichen und die Kanone der Nürnberger zu "verschlagen", wie es in entsprechenden Berichten heißt. Etwa 400 steinerne Kugeln zu je 35 Pfund Gewicht hatten die Nürnberger bis dahin in die Burg geschossen. Nun war ihre wichtigste Waffe unbrauchbar geworden.

Einer der Nürnberger Handwerker, die bei der Belagerung Lichtenbergs mithalfen, war Albrecht Dürer der Ältere. Dessen Leben zeigt, wie reisefreudig die Menschen bereits im 15. Jahrhundert waren und wie weit sie auf der Suche nach einem besseren Leben zogen. Bei der Belagerung der Burg Lichtenberg muss man ihn sich als 17-jährigen tüchtigen Handwerker vorstellen, ebenso talentiert wie ehrgeizig.

Geboren wurde er 1427 im Dorf Ajtós nahe der ungarischen Stadt Gyula an der heutigen Grenze zu Rumänien. Seine Vorfahren waren Bauern und Goldschmiede. Vom Vater lernte er das Goldschmiedhandwerk. Als Jugendlicher machte er sich auf, tausend Kilometer weiter nordwestlich sein Glück zu suchen. Nürnberg war damals eine rasch wachsende Stadt, die auf fleißige Zuwanderer angewiesen war. Heute würden wir Albrecht Dürer d. Ä. als Arbeitsmigranten bezeichnen, und solche Menschen wurden gebraucht. Die Einwohner einer spätmittelalterlichen Stadt kamen aus den unterschiedlichsten Ländern, und benachteiligt war man nicht wegen seiner Herkunft, sondern wenn es um das Bürgerrecht ging, das nicht jeder bekam. Generell hatten die Bewohner mittelalterlicher Städte gegenüber der Landbevölkerung größere Freiheitsrechte, was der berühmte Rechtssatz "Stadtluft macht frei" ausdrückt.

Albrecht Dürer d. Ä. arbeitete in Nürnberg als Goldschmied. "Thürer" wurde er nach seinem Heimatort (der "Tür" bedeutet) genannt, fränkisch-weich ausgesprochen wurde daraus Dürer. Er muss ausgesprochen tüchtig gewesen sein, denn Hieronymus Holper, der führende Goldschmied der Stadt, stellte ihn ein und förderte ihn auch noch, als der junge Mann eine eigene Werkstatt aufmachte. Vermutlich auf Fürsprache seines Meisters erhielt Dürer 1467 das Bürgerrecht und heiratete im selben Jahr als 40-Jähriger dessen erst 15 Jahre alte Tochter, Barbara Holper. Das Paar hatte 18 Kinder, von denen 15 starben. Der nach dem Vater benannte Sohn Albrecht – der spätere Maler – ist der berühmteste Nürnberger.

Albrecht Dürer d. Ä., als armer Handwerker aus Ungarn zugewandert, brachte es in Nürnberg zu Wohlstand. Sein Geld investierte er unter anderem in ein Bergwerk in Goldkronach im heutigen Kreis Bayreuth. Als Goldschmied arbeitete er für Kaiser Friedrich III. und weitere Auftraggeber aus dem Hochadel. Er starb im Jahr 1502 im Alter von 73 Jahren als hoch angesehener Bürger.


Zur weiteren Information

Einen Überblick über den Familiengeschichte von Vater und Sohn Dürer bietet das Museum Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg. Teile des Gebäudes stammen aus der Zeit um 1420.

Einen Eindruck von der Stadt erhält man im Nürnberger Stadtmuseum im Fembohaus und im Germanischen Nationalmuseum.

 

Wollen Sie weitere Hintergründe lesen oder mehr über unser Projekt wissen? Dann klicken Sie hier.

Wappen
 

Gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).