Hintergrund zur Geschichte
“Unter mörderischen Bedingungen”

Der Wald als wichtige Einnahmequelle

Waldbesitzer und Flößer im Frankenwald hatten durch die Jahrhunderte enge Beziehungen nach Holland, doch weiß man von keinem anderen, der es wie Carl Friedrich Einsiedel aus Hölle bei Lichtenberg schaffte, dort als Oberschiffsbaumeister zu arbeiten und sogar bis nach Ostindien zu kommen. Von Einsiedel kündet sein prachtvoller Grabstein, der sich im Museum Bayerisches Vogtland in Hof befindet. Unter einem kunstvoll aus dem Stein gehauenen Segelschiff steht, dass Einsiedel ein "redlicher und wolgeschickter Mann" war, "zu wichtigen Unternehmungen fähig, fleißig, glücklich" und von Gott aus mancher Gefahr errettet und gesegnet wurde. Zweimal segelte er demnach nach Südostasien und arbeitete dort 18 Jahre für die Ostindien-Kompanie.

Dieses im Jahr 1602 gegründete Unternehmen gilt als erste Aktien-Gesellschaft der Welt; es beutete den Reichtum Ostasiens aus. Bis 1798 segelten für das Handelsunternehmen 4700 Schiffe zwischen Amsterdam und Asien. Die Hauptniederlassung befand sich in Batavia, dem heutigen Djakarta, der Hauptstadt Indonesiens. Großer Reichtum lockte, doch die Lebensbedingungen waren mörderisch. Nur etwa jeder Dritte kehrte heim.

Einsiedel schaffte es zu überleben. Um das Jahr 1774 muss er als reicher Mann zurück in seine Heimat gekommen sein. Am 23. Mai 1775 heiratete er in Döhlau bei Hof die "Junfer Anna Maria Schmittin", wie es in den Kirchenbüchern heißt, zwei Monate später wurde ein Sohn geboren. Als am 3. Mai 1777 seine Tochter zur Welt kam, lebte Einsiedel nicht mehr. Er war am 20. September 1776 in Hof gestorben, nicht einmal 40 Jahre alt. Die Bedingungen in Batavia hatten seine Gesundheit zerstört.

Die Herrschaft Lichtenberg, aus der Einsiedel stammte, war zwar klein, verfügte aber über gute und verlässliche Einnahmen. Das lag am Bergbau – und am großen Waldbesitz. Die auch heute noch ausgedehnten Waldgebiete zwischen Lichtenberg, Geroldsgrün und Heinersberg gehörten den Herren auf Lichtenberg, zwischen 1428 und 1618 den Waldenfels.

Als Hans von Waldenfels (1488 – 1569), wegen seiner Weisheit und Umsicht "der Berühmte" genannt, im Jahr 1564 sein Testament machte, da ermahnte er seine Nachkommen, den Wald stets aufs Beste zu bewirtschaften, denn er sei die verlässlichste Erwerbsquelle und versorge die Besitzer, die Untertanen und die zahlreichen Hammerschmieden mit den nötigen Rohstoffen. Die "Hohe Zeitelwaidt" solle besonders geschont werden, damit im Falle eines Brandes das Bau- und Zimmerholz in der Nähe sei. In der Stadt Lichtenberg und in den Dörfern bestanden die Häuser damals ganz aus Holz. Außen- und Innenwände waren aus Balken zusammengefügt, auf dem Dach lagen Holzschindeln. Stets konnte ein Brand ausbrechen und das Haus oder die ganze Siedlung vernichten.

Wer Vieh hielt – und das taten alle, die Besitz hatten – holte sich Moos und Nadeln als Einstreu für den Stall. Das war eine Arbeit für Frauen und die Kinder. Sie scharrten alles zusammen, was auf dem Waldboden lag.

Ein begehrtes Produkt war in dieser Zeit das Pech: Es wurde aus dem Harz von Kiefern oder Birken gewonnen, deren Rinde man einritzte, und zum Abdichten und Kleben verwendet. Pech war nicht etwa ein Nebenprodukt, sondern ein wichtiges und mit harter Arbeit geschaffenes Handelsgut. Aus einer Beschreibung des Fürstentums Reuß (im heutigen Thüringen) geht hervor, dass im Jahr 1715 aus einem einzigen Forst – dem Pöllwitzer Wald – mehr als 226 Zentner Pech gewonnen wurden. Im Lichtenberger Wald war die Gewinnung von Pech nur in zwei Abteilungen gestattet, weil das Aufreißen der Rinde die Bäume schädigte.

Wie bedeutend der Lichtenberger Wald war, darauf weist eine Entscheidung der markgräflichen Verwaltung hin: 1777 wurde das Kasten- und Richteramt nach Hof verlagert, im Jahr darauf das fürstliche Oberamt, die Oberforstmeisterei verblieb aber ebenso in Lichtenberg wie die Wildmeisterei als Oberaufsicht über die Jagd.

Dabei hatte es lange gedauert, bis der Wald lukrativ genutzt werden konnte. Da Baumstämme sehr schwer sind, war es in der vormodernen Zeit mühsam und teuer, sie auf Wagen zu transportieren und angesichts der unbefestigten Wege meistens unmöglich. Deshalb verarbeitete man das Holz vielfach an Ort und Stelle zu Holzkohle, die man leichter transportieren konnte und in großen Mengen für die Eisenverhüttung brauchte, oder nutzte es als Brennholz und für Kienspäne. Bäcker, Schmiede, Schlosser, Färber und Brauer hatten enormen Bedarf an Brennholz. Auch Gegenstände, die heute aus Metall oder Porzellan bestehen, waren damals aus Holz, etwa Löffel, Teller, Schüsseln und Eimer.

Richtig wertvoll wurde Holz, als man begann, es zu flößen. Seit dem Jahr 1386 ist die Flößerei im Frankenwald urkundlich belegt. Die aufstrebenden Handelsstädte am Rhein und in Holland brauchten viel Holz zum Bauen und für die Schiffe. Damit das sumpfige Land an den Flussufern besiedelt werden konnte, rammte man Baumstämme in den Untergrund, auf denen die Gebäude sicher standen. Am begehrtesten und teuersten war das Eichenholz, das jedoch den Nachteil hat, allein zu schwer zum Flößen zu sein. So baute man ein Floß aus mehreren übereinander liegenden Lagen: Unten befand sich das leichtere und schwimmfähige Tannen-, Kiefern- oder Fichtenholz, darüber lag gut geschützt das wertvolle Eichenholz. Ein solches Floß konnte einen Tiefgang bis zu drei Metern erreichen.

Die Flößerei hatte große Auswirkungen auf den Bewuchs in den Wäldern. Ursprünglich waren wohl die Buche und die Tanne die am meisten verbreiteten Baumarten im Frankenwald. Gezielt wurde im 16. und 17. Jahrhundert der Anbau von Tanne gefördert, da sich ihr Holz gut flößen und verarbeiten lässt. Bis zum Jahr 1700 hatte die Tanne am Waldbestand des Frankenwaldes den weitaus größten Anteil, die Fichte wuchs auf zehn Prozent der Fläche und Laubbäume hatten ebenfalls einen Anteil von nur noch zehn Prozent.

Welche riesigen Mengen aus dem Frankenwald verkauft wurden, zeigen einige Zahlen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert: In einem Jahr kamen auf dem Wasserweg nach Mainz 1400 unbehauene Stämme der stärksten Dimension, 37 200 schwächere Stämme, 4080 Stammabschnitte, 190 000 gesägte Bretter und 100 000 Weinbergpfähle. An den Bächen zwischen Kronach und Lichtenberg standen damals 130 Sägemühlen, die den Holzreichtum verarbeiteten.

Die Herren von Waldenfels auf Lichtenberg ließen nach dem Jahr 1600 mehrere Floßteiche anlegen – zwei am Finkenbach und am Langenstein und einen im Krötensee. Sie hatten das Glück, zwei Flusssysteme zum Flößen nutzen zu können: das der Saale und das des Mains. Das meiste Holz wurde für die städtischen Märkte bis Halle oder Mainz verkauft, doch Kiefern- oder Eichenstämme für Masten und den Städtebau kamen bis nach Amsterdam. Holländische Holzaufkäufer suchten sich vor Ort die schönsten Bäume aus. Amsterdam steht zum Teil auf Stämmen aus dem Frankenwald – vermutlich auch aus dem Lichtenberger Forst.


Weitere Informationen

Das kunstvolle Grabmal für Carl Friedrich Einsiedel befindet sich im Untergeschoss des Museums Bayerisches Vogtland in Hof

Über Holznutzung und Flößerei im Frankenwald informiert anschaulich das Flößermuseum im Flößerdorf Unterrodach, Kreis Kronach


Was sonst noch um das Jahr 1775 geschah

Am 4. Juli 1776 erklären 13 britische Kolonien in Nordamerika ihre Loslösung von Großbritannien; ihre Unabhängigkeitserklärung ist eines der wirkmächtigsten Dokumente der Weltgeschichte.

1758 stirbt Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth; das auf ihren Wunsch hin gebaute Markgräfliche Opernhaus ist heute Unesco-Weltkulturerbe.

Am 21. März 1763 kommt Johann Paul Friedrich Richter in Wunsiedel zur Welt; unter dem Künstlernamen Jean Paul wird er einer der wichtigsten deutschen Dichter.


Quellen

Manfred Joisten: “Chronik der Stadt Lichtenberg”, Lichtenberg 1957

Dietrich Ebeling: “Der Holländerholzhandel in den Rheinlanden: zu den Handelsbeziehungen zwischen den Niederlanden und dem westlichen Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert”, Stuttgart 1992

Ph. Sieber: “Die Forsten des regierenden Fürstenhauses Reuß d. J. in der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert”, Heidelberg 2013

Dieter Blechschmidt: “Die Flößerei in den oberen Talgründen des Einzugsgebietes von Rodach und Wilder Rodach im Frankenwald”, Weißenstadt 2002

Hans-Walter Keweloh: “Auf den Spuren der Flößer – Wirtschaftschafts- und Sozialgeschichte eines Gewerbes”, Stuttgart 1988

Olaf Schmidt: “Die Tanne im Frankenwald”, Bayerische Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft

 

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